Hintergrund
Irma Waalkes Stiftung
Die erste ostfriesische Umweltstiftung ist ein Vermächtnis von Onno und Irma Waalkes aus Emden. Noch zu Lebzeiten beschlossen die kinderlosen Eheleute aus ihrem Nachlass eine Stiftung zu gründen. Dabei war lange Zeit nicht klar, welchen Stiftungszweck sie wählen sollten. 1983 verstarb Irma Waalkes im 75. Lebensjahr, einige Jahre später erlitt ihr Mann Onno einen Herzinfarkt. Aus diesem Zeitdruck heraus verfügte er die Gründung einer Umweltstiftung. Seiner Frau zum Gedenken erhielt die Stiftung den Namen „Irma-Waalkes-Stiftung“. Sie wurde am 7. August 1991 als gemeinnützige Umweltstiftung eingetragen. Onno Waalkes verstarb am 23. Januar 1998 im Alter von 89 Jahren.
Heute ist die Irma-Waalkes-Stiftung nicht nur die erste, sondern auch die größte Umweltstiftung in Ostfriesland. Viele Umweltprojekte in der Region konnten inzwischen von den Stiftungserträgen gefördert werden. Ob sie allerdings immer auf das Wohlwollen Onno Wallkes gestoßen wären, mag dahingestellt sein. Denn Onno war er ein sehr wechselhafter Stuhrkopf, der wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, davon nicht mehr abzubringen war. Der Umgang mit ihm war nicht immer einfach und sein überlieferter Geiz lässt durchaus einen Vergleich mit Dagobert Duck zu. Onno war auch nicht verwandt mit seinem berühmten Namensvetter Otto. Im Gegenteil, bei Onno hatte man meistens nichts zu lachen. Dafür haben sich Irma und Onno Waalkes in einer Stiftung verewigt, die ihrer geliebten Heimat auf Dauer viel Gutes getan hat bzw. noch bringen kann und sie in Ehren hält.
Irma und Onno Waalkes
Irma Waalkes wurde als Kind des Schneidermeisters Kramer 1909 in Schöneberg / Berlin geboren. Von Beruf war sie Lehrerin und lernte 1938 Onno Waalkes in Berlin kennen. Dieser nahm sie mit nach Emden, wo sie am 11. März 1939 heirateten. Onno wurde am 25. März 1909 in Emden geboren. Er wuchs als Einzelkind auf und begann mit 14 Jahren eine Lehre als Elektroinstallateur in der Emder Firma Carl Knies. Schon sein Schul-Abschlußzeugnis wies sehr gute Noten auf, auch in der Berufsschule war er einer der besten Schüler. Hier findet sich ein Hinweis auf die ausgezeichnete Anfertigung von technischen Zeichnungen. Es war bewundernswert, wie er noch bis ins hohe Alter mit Zirkel, Lineal und Bleistift umgehen konnte. Durch Fleiß und Zielstrebigkeit erwarb er sich überall sehr gute Empfehlungen. Nach seiner Lehre arbeitete er bei den Gebrüdern Kappelhoff in Emden, der Firma Johann Bremer in Asendorf und beim Radio-Vertrieb Pannhoff in Emden. 1937 bestand Onno Waalkes seine Meisterprüfung bei der Handwerkskammer Aurich. Seinen beruflichen Weg setzte er später in verschiedenen Regionen Deutschlands fort. Einige Jahre fuhr er auch zur See. Früh entwickelte sich sein persönlicher Charakter, der von Geradlinigkeit, aber auch von einem gewissen Eigensinn geprägt war. Was er nicht für vernünftig hielt, das machte er partout nicht. Hiermit ist wohl zu begründen, warum er 1937 die Marine in Wilhelmshaven verließ. Er sollte Mitglied der NSDAP werden und dies wollte er nicht. Damit ihn die Nazis nicht so schnell finden, fuhr er von Emden nach Berlin, ohne dies jedoch seinen Eltern mitzuteilen. Dafür lernte er hier seine spätere Frau Irma kennen.
Den Krieg verbrachten die Eheleute Waalkes in einer Zweizimmerwohnung in Emden. Das Haus in der Großen Straße wurde am 6. September 1944 total zerstört. Danach wohnten sie in der elterlichen Wohnung in der Neptunstraße. Onno wurde nicht zur Wehrmacht eingezogen. Der 11. Dezember 1943 war im Leben von Onno Waalkes ein entscheidender und wie sich später herausstellen sollte, ein schicksalsschwerer Tag. Es ist mal wieder ein Luftangriff auf Emden und Waalkes wird als Zivilist kurz vor dem Erreichen des Bunkers von dem Luftdruck einer in seiner Nähe niedergehenden Fliegerbombe erfasst und zu Boden geworfen. Er wird im städtischen Krankenhaus behandelt. Bombensplitter haben sein Rückgrat verletzt und bis zu seinem Tode leidet Onno unter dieser Kriegsverletzung. Im Krieg wurde auch das Geschäft der Waalkes vollkommen zerstört.
Am 6. Mai 1945 geht der Krieg für Emden zu Ende, die Kanadier besetzen die Stadt. Im Emsmauerbunker findet die Übergabe der Stadt an die kanadischen Offiziere statt. Diesen Bunker kaufte später Onno Waalkes. Sein Wunsch ist es, hier für Emden ein Planetarium zu errichten. Im November 1945 soll für die Stadt Emden ein Übergangsparlament gebildet werden. Bürgermeister Frickenstein bekommt von dem Militärgouverneur den Auftrag, für dieses Parlament Emder Bürger zu benennen. So wird Onno Waalkes für die FDP in dieses erste Nachkriegsparlament berufen, obwohl er selbst nicht weiß, warum er berufen wurde. Er hat die Ratsarbeit jedoch nicht lange mitgemacht. In der Politik müssen Kompromisse gemacht werden und das konnte Waalkes offensichtlich nicht.
Die von ihm selbst überlieferte Geschichte von dem ersten und einzigen Zusammenstreffen mit dem damaligen Militärgouverneur verdeutlicht dies: „Der eingesetzte Bürgermeister Frickenstein kam zu mir und fragte mich, ob ich ihn zum Gouverneur begleiten wolle. Es war irgendetwas schiefgelaufen und Frickenstein erwartete mal wieder ein gehöriges Donnerwetter. Wir waren noch nicht ganz im Büro, da ging das Theater schon los. Der Gouverneur raunzte Frickenstein an, der verdattert, aber aufrecht dastand. Ich fand das einfach ungeheuerlich und fragte Frickenstein mitten in das Donnerwetter hinein, ob der Herr uns keinen Stuhl anbiete. Frickenstein antwortete klar und deutlich, fast provozierend: „Das ist hier immer so“. Ich bin dann zum Gouverneur an den Schreibtisch getreten und habe ihm gesagt, wir seien als Vertreter der Stadt Emden hier und nicht als Untertan. Übrigens sei es hierzulande üblich seinen Gästen zunächst einmal einen Stuhl anzubieten. Als ich mich wieder umdrehte hatte Frickenstein bereits Platz genommen. Von Stund an durften die Deutschen bei solchen Verhandlungen sitzen.“ Onno Waalkes nimmt ein ostfriesisches Sprichwort zu Hilfe: „War sück för´n Pannkoauk utgift, word ok as Pannkauk upfreten“. So war Onno Waalkes, kompromisslos, selbst wenn es einmal sein eigener Schaden war.
Onno Waalkes beschäftigte sich Zeit seines Lebens immer wieder mit der Ahnenforschung. Er konnte die Geschichte der Familie Waalkes (väterlicherseits) bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Hervorzuheben in dieser Familiengeschichte ist ein „Waalke Daniels Waalkes“, der um 1789 Ratsherr in Emden war. Etwa 155 Jahre später wird Onno Waalkes ebenfalls Ratsherr. Die Unterlagen zur Familiengeschichte sind leider weitgehend im Krieg verlorengegangen, doch Waalkes nahm die Dinge wieder auf und korrespondierte später mit Familien in Duisburg und Amerika.
Zusammen mit seiner Frau baute er sich in der Nachkriegszeit eine Existenz im Elektrofachbereich auf. Er meldete in der Großen Straße 16 in Emden ein Gewerbe für Elektroinstallation an, dem ein Laden sowie eine Werkstatt angeschlossen waren. Während seine Frau langjährig das Lampengeschäft führte, betätigte sich Onno als selbstständiger Handwerksmeister für Elektrotechnik. Hierbei legte er den Schwerpunkt auf den Aufbau von Maschinenanlagen und der Installation von Gebäuden. Aus diesen Gewerbebetrieben erwuchs das spätere Stiftungsvermögen.
Die Stiftungsidee
Bereits 1969 beschlossen Irma und Onno Waalkes gemeinsam in ihrem Testament ihren Nachlass in eine Stiftung zu geben. Welchen Zweck die Stiftung haben sollte, blieb zu diesem Zeitpunkt noch offen. Beide waren in ihrem Privatleben in verschiedenen Interessensgebieten sehr aktiv tätig. So widmete sich Irma Waalkes z.B. der Malerei, während ihr Mann imkerte. Nach dem Tod von Irma überarbeitete Onno das Testament eins ums andere Mal. Er konnte sich einfach nicht entscheiden, welchen Zweck er festlegen sollte. 1985 sollte die Stiftung zum Bau von Altenwohnungen dienen, außerdem plante er den Aufbau eines Planetariums sowie ein Naturkundemuseum oder ein Aquarium. Weitere Ideen waren die Förderung von Doktoranten durch Stipendien und der Ankauf von stillgelegten Flächen für den Naturschutz. Das Projekt mit dem Planetarium auf seinem Bunker ließ sich jedoch nicht realisieren, daher entstand die Idee, ein Planetarium im Rahmen der Experimenta der Stadt Aurich umzusetzen. Aber auch dieses Projekt ließ sich nicht finanzieren. Dabei lernte Waalkes Prof. Dr. Dieter Einfeld aus Aurich kennen, der später erster Vorsitzender der Stiftung wurde. Einfeld wurde in den letzten Jahren zu der wichtigsten Person im Leben von Onno Waalkes, der nach einem Schlaganfall 1990 zunehmend zu einem Pflegefall wurde. Einfeld übernahm zuletzt auch die Vormundschaft und hielt am Ende auch die Trauerandacht. Noch 1990 fiel dann nach einem Gespräch mit Einfelds naturverbundenen Frau die endgültige Entscheidung, eine gemeinnützige Umweltstiftung zu gründen.
Als eines der ersten großen Projekte übernahm die Irma-Waalkes-Stiftung 1992 die tiefliegenden Flächen des ehemaligen Uhlsmeeres bei Groß Midlum. Ein Jahr später kamen hier noch einige Flä-chen hinzu, so dass die Stiftung seit dem mit rund 32 ha die gesamte Meerfläche aufkaufen konnte. Die tiefsten Flächen liegen 2,3 m unter NN und können nur über ein eigenes Schöpfwerk trocken gehalten werden. Die Besonderheit des Uhlsmeeres sind artesische Brunnen aus denen das salzhaltige Grundwasser an die Oberfläche dringt. So finden sich hier inzwischen binnenländische Salzwiesen mit Massenvorkommen der Laugenblume. Einige Bereiche wurden durch den Bau einer Erdgaspipeline in den 1970er Jahren so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass sich hier heute Schilfröhrichte entwickelt haben. Für die Vogelwelt ist das Uhlsmeer ein wahres Paradies: Kiebitze, Uferschnepfen, Rotschenkel, Bekassinen und sogar Säbelschnäbler brüten auf den Wiesen, in den breiten Gräben finden sich Löffel-, Schnatter-, Knäk-, Brand- und Krickentene und in den Röhrichten schreiten Rohrweihe, Schilfrohrsänger, Blaukehlchen und Wasserralle zur Brut. Im angrenzenden Wäldchen befindet sich seit vielen Jahren eine Graureiher-Kolonie. Damit das Uhlsmeer nicht völlig verschilft und zuwächst, werden die Flächen seit 2002 mit sogenannten Heckrindern des Naturschutzbundes beweidet.
Im Zuge des Überschlickungsverfahrens in Riepe konnte die Stiftung in den 90er Jahren das Poggenland mit einer Größe von 11 ha erwerben. Wie der Name schon vermuten läßt, handelt es sich auch hier um ein tiefliegendes Gebiet. Es liegt direkt am Fehntjer Tief und wird durch die A31 von der Stadt Emden abgeschnitten. Auch hier haben sich über die Jahre wertvolle Schilfröhrichte entwickelt, die vielen bedrohten Röhrichtvögeln, aber auch den namensgebenden Fröschen wieder einen Lebensraum bieten.
Das bislang größte Projekt der Irma-Waalkes-Stiftung hat über ein Jahrzehnt lang die Gremien be-schäftigt. 1996 erwarb man die insolvente Baumschule Hesse in Weener. Einst war sie die bedeu-tendste Baumschule Europas mit einer über 100-jährigen Tradition. Kommerzienrat Hermann Albert Hesse (1852 – 1937) gründete 1879 die später weltberühmte Baumschule. Unter anderem holte er die ersten Mammutbäume aus Nordamerika nach Europa. Noch heute stehen einige dieser ältesten, gewaltigen Mammutbäume auf dem Gelände. Nach dem tragischen Konkurs der Baumschule 1993 erwuchs die Idee, den Nachlass Hesses in einen öffentlichen Park mit einem Arboretum(Baumsammlung) umzugestalten. Landschaftsarchitekt Enno Wienenga aus Leer, damals Beiratsmitglied der Stiftung, entwarf einen Plan für den Landschaftspark. Die Satzung der Stiftung wurde erweitert um die Möglichkeit, einen öffentlichen Park zu fördern.
Noch 1995 unternahm Onno Waalkes mit Prof. Einfeld in einer seiner letzten Reisen zum Hessege-lände. Nach dieser Fahrt stimmte er dem Projekt zu. Hier, so meinte er, könne er seinen Wunsch erfüllen, indem ein Park errichtet werden soll und ein Bereich für den Bau von Häusern bereitgestellt wird. Diesen letzten Wunsch wiederholte er gegenüber Einfeld an seinem Sterbebett.
So konnte in den Folgejahren das Mammutprojekt in Angriff genommen werden. Zahlreiche der nach dem Ausverkauf verbliebenen seltenen Bäume wurden zu dem Arboretum umgepflanzt und zu Ehren Hesses ein eigenes Wäldchen aus Mammutbäumen angelegt. Doch schon nach einigen Jahren zeigte sich, dass der Stiftung das Projekt sozusagen über den Kopf wuchs. Die großen Gebäude samt alter Villa, Glockentürmchen und Rosenhaus verfielen zusehends. Die Umgestaltungsarbeiten verschlangen viel Geld und ein Ende war nicht absehbar. Darüber zerstritten sich Vorstand und Beirat der Stiftung zunehmend. Letztlich wurde im Jahre 2001 beide Gremien fast vollständig umbesetzt. Neuer Vorstandsvorsitzender wurde Gerd Lehmann, Bankdirektor a.D. und Dr. Claas Brons übernahm den Vorsitz des Beirates. Doch auch die neuen Stiftungsmitglieder konnten sich nicht über die Weiterführung der Parkidee einigen. Zudem wurden einige baufällige Gebäudeteile immer mehr zu einer Gefahr. So entschloss man sich letztlich, das Gelände zu verkaufen. Der vordere Bereich konnte als Bauland verkauft werden, während das rund 32 ha große Parkgelände an den niederländischen Architekten Jan Timmer veräußert wurde. Dieser übernahm die Verpflichtung, das inzwischen landschaftsgeschützte Gelände naturnah zu erhalten und öffentlich zugänglich zu machen. Er errichtete mitten im Gelände sein Kunsthaus. Somit erfüllte sich der letzte Wunsch von Onno Waalkes.